Besuch von Ministerpräsident Kretschmann

Ankündigungspolitik steht im Widerspruch zur Faktenlage

Der Austausch über grenzüberschreitende Schienenverkehrsprojekte ist ein Schwerpunkt der zweitägigen Reise von Ministerpräsident Kretschmann in die Schweiz. So soll etwa die Elektrifizierung der Hochrheinbahn zwischen Basel und Singen mit den Kantonsregierungen von Schaffhausen und Aargau besprochen werden.

Am Tag vor der Abreise lässt das Staatsministerium hierzu verbreiten, dass sich das Land Baden-Württemberg auf allen Ebenen dafür einsetze, dass es bei diesen Projekten zügig vorangeht. Zudem wird die hohe Bedeutung des Projekts für das Gelingen der grenzüberschreitenden Verkehrswende betont.

Angesichts der Faktenlage bin ich von diesen Aussagen sehr verwundert: Zur Elektrifizierung der Hochrheinstrecke hat das Land Baden-Württemberg zwar bereits im März 2016 eine Finanzierungsvereinbarung mit den betroffenen Landkreisen und Schweizer Kantonen abgeschlossen. Aber auch zwei Jahre nach dieser schriftlichen Vereinbarung liegt dem zuständigen Bundesverkehrsministerium in Berlin noch kein Antrag der grün-schwarzen Landesregierung zur Finanzierung der Hochrheinbahn vor. Die auf 160 Millionen veranschlagten Gesamtkosten sollen laut dieser Vereinbarung zu 60 Prozent im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsprogramms vom deutschen Bund finanziert werden.

Voraussetzung hierfür ist allerdings ein entsprechender Antrag der grün-schwarzen Landesregierung beim Bund. Eine gute Nachbarschaft lebt immer davon, dass man ehrlich zu seinem Wort steht. Vom diplomatisch versierten Ministerpräsidenten Kretschmann erwarte ich, dass er diesen Grundsatz beherzigt.

Mit einem nationalen Elektrifizierungsziel von 70 Prozent bis 2025 öffnet der neue Koalitionsvertrag dem Projekt noch eine zusätzliche Finanzierungsoption. Damit verbinde ich gleichzeitig einen Appell an die Landesregierung:
Wer von Töpfen des Bundes profitieren will, muss mit seiner Planung fix sein.

Gerade bei der entscheidenden Entwurfs- und Genehmigungsplanungen scheint jedoch Sand im Getriebe zu stecken. Bereits im September 2016 gab das Landesverkehrsministerium bekannt, dass die EU die anstehenden Projektplanungen mit fünf Millionen Euro bezuschussen würde. Die von Minister Hermann nach öffentlicher Kritik für April 2017 angekündigte Planungsvereinbarung verzögerte sich bis kurz vor der Bundestagswahl im folgenden September. Vor diesem Hintergrund erscheint es schon symptomatisch, dass die Stelle des verantwortlichen Projektleiters, der bei der Deutschen Bahn die Ausschreibungsunterlagen erstellen soll, bislang nach vorliegenden Informationen noch immer nicht besetzt ist.

Dass es die Deutsche Bahn auch besser kann, hat sie bereits auf dem in der Schweiz liegenden Teilabschnitt der Hochrheinbahn bewiesen. Gemeinsam mit dem Kanton Schaffhausen und dem Bund wurde die 19 Kilometer lange Strecke zwischen dem badischen Erzingen und Schaffhausen 2013 elektrifiziert und doppelspurig ausgebaut.