Familien und Corona: Wir müssen noch lange für jedes Alter Hilfen anbieten

 Mit den finanziellen Hilfen der Bundesregierung lassen sich die wirtschaftlichen Nöte der Familien während der Corona-Krise abfedern, die psychosozialen Probleme lösen sie nur bedingt. Das ganze Spektrum der offenen Fragen, aber auch die Widersprüchlichkeit der Interessen, machte am Freitag die Online-Diskussion mit unserer Bundesfamilienministerin Franziska Giffey deutlich. Da wird noch lange viel aufzuholen sein.

Vor einem Jahr war die Bundesfamilienministerin mit Rita Schwarzelühr-Sutter im Lauchringer Familienzentrum verabredet gewesen. Die beginnende Corona-Krise hatte damals den Besuch vereitelt. Ein Jahr später verhindert die Pandemie noch immer die persönliche Begegnung mit den Familienakteuren am Hochrhein. Stattdessen fand das Treffen jetzt im Rahmen eines gut besuchten Online-Dialoges statt, der über Facebook in die Community der SPD-Bundestagsabgeordneten gestreamt wurde. Das zentrale Thema waren die Belastungen der Familien durch die Pandemiefolgen.

„Alle sind belastet in der Familie“, von klein bis alt“, fasst Rita Schwarzelühr-Sutter zu Beginn der Runde zusammen, was sie in ihren zahlreichen Gesprächen mit Eltern und Familienorganisationen erfahren hat. Mit neuen Begriffen wie „mütend“ – einer Kombination aus „müde“ und „wütend“ werde nach einem Jahr Pandemie dje Stimmungslage beschrieben.

Und das ist nicht nur ein Gefühl. „Die belastende Lage ist wissenschaftlich belegt“, sagt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Und damit seien nicht so sehr die finanziellen Aspekte des Problems gemeint. Als besonders herausfordernd bezeichnete sie die Nicht- Planbarkeit und die fehlende Perspektive. Das habe insbesondere die Öffnungsfrage für Kitas und Schulen ein Jahr lang erschwert.

Das Bundesfamilienministerium habe sich in dieser Zeit immer dafür eingesetzt, dass Kitas und Schulen möglichst lange offenbleiben, wenn gleichzeitig ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten war. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel und Maßnahmen seien über eine Vielzahl von Hilfspaketen auf den Weg gebracht und zur Verfügung gestellt worden.

Als sehr viel schwieriger bezeichnete die SPD-Bundesfamilienministerin die Bewältigung der Bildungs- und Bindungslücken, die in der Corona-Krise entstanden seien. Genauso wie die Sport- und Freizeitdefizite seien diese nicht einfach aufzuholen. Die Bewältigung der psychosozialen Krise müsse deshalb große Priorität bekommen.

Dafür sei es notwendig, dass Bund und Länder ein milliardenschweres Aufholpaket zur Verfügung stellen. Als Beispiele nannte sie unter anderem die Sprachkitas für die frühkindliche Bildung und zusätzliche Sozialarbeit, aber auch die Stärkung außerschulischer Freizeitangebote.

Trotzdem sei es unvermeidbar, dass es auch für Kitas und Schulen eine Notbremse gebe. Die bundeseinheitliche Regelung, die mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes getroffen werde, schaffe hierzu die notwendige Klarheit.

Mit der Notbremse entstehe für alle, die schon seit Monaten im Fernunterricht seien, noch einmal eine zusätzliche Belastung. Als besonders wichtig bezeichnete Franziska Giffey, dass in Kitas und Schulen zusätzliche Sicherheit geschaffen werde. Als wichtigen Schritt bezeichnete sie in diesem Zusammenhang die neue Impfpriorisierung von Lehrern und Erziehern.

Testen und Impfen bleiben aus ihrer Sicht die wichtigsten Instrumente. Wenn jetzt zweimal in der Woche getestet werde, müsse das kindgerecht erfolgen. Und solange noch kein Impfstoff für die unter 12-Jährigen zur Verfügung stehe, müsse über die Impfung der älteren Jahrgänge ein Schutzcocon gebildet werden.

Das ganze Spannungsfeld der Pandemiebewältigung macht die Diskussion deutlich. Beiträge der Schüler, Eltern und Verantwortlichen in der Familienbetreuung spiegeln Unsicherheit und teilweise widersprüchliche Erwartungen zwischen dem gesundheitlichen Schutzbedürfnis und dem psychosozialen Kindeswohl wider.

Kita- und Schulschließungen werden in Konkurrenz gesetzt zur fehlender Homeofficepflicht für die Arbeitnehmer:innen. Schnelltests werden als  schädliche Belastung für Kinder bewertet. Die Kurzfristigkeit von Kita- und Schulschließungen werden nach 13 Monaten Pandemie als vermeidbar empfunden. Und im Gegenzug wird die fehlende Verfügbarkeit von Tests in Bildungseinrichtungen ebenso beklagt wie mangelnde Aufklärung und eine klare Handlungslinie.

„Dass die Kita kostenlos wird …“ ist eines der Themen, die eher von grundsätzlicher Bedeutung sind und in Baden-Württemberg von der Landesregierung entgegen aller SPD-Initiative nicht umgesetzt werden. In dem Zusammenhang weist die Familienministerin darauf hin, dass Familien mit geringem Einkommen auch hierzulande von Kita-Gebühren zu befreien sind.

Franziska Giffey macht deutlich, dass offene Kitas und Schulen auch weiter oberste Priorität haben werden. Die bundeseinheitliche Notbremse werde deshalb in diesem Bereich erst bei einer Inzidenz setzen, die höhe liegt als 100.  Das sei aber nur möglich mit einem konsequenten Testregime zur Überwachung des Infektionslage, weil die Virusmutante B.1.1.7 gerade zunehmend jüngere Menschen gefährde.

Nachzuhören ist die Online-Runde mit Franziska Giffey bei mir auf Facebook.