Klima-Dialog: „Wir müssen den schlafenden Riesen einer internationalen Kooperation wecken“

„Der CO2-Preis kann weltweit für uns zum Problemlöser einer der wichtigsten Zukunftsfragen werden.“ Zu diesem Fazit kam die Waldshuter SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter am Ende ihres Online-Dialogs mit dem Potsdamer Klimafolgenforscher Prof. Dr. Ottmar Edenhofer. Die Videokonferenz unter dem Titel Wir.Machen.Zukunft. war Auftakt einer Veranstaltungsreihe, mit der die Abgeordnete aufzeigen will, wie eine weltweit notwendige Transformation bis auf die Kommunalebene ineinandergreifen kann und muss.

 Zur ersten Ausgabe ihres neuen Digitalformats Wir.Machen.Zukunft. hatten sich neben Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizäcker, Waldshuts Landrat Martin Kistler, dem St. Märgener Bürgermeister Manfred Kreutz, Vertretern von Naturschutzverbänden und Fridays For Future, SPD-Mitglieder aus Südbaden und Bürger*innen aus der gesamten Region zugeschaltet. Das sei ein ermutigendes Signal, sagte Rita Schwarzelühr-Sutter, die dringend notwendige Neudefinition von Lebensqualität könne nur gelingen, wenn sie von einem breiten Konsens der Menschen und der Wirtschaft getragen werde.

Wie notwendig und wie dringend der Strukturwandel tatsächlich ist, hatte sich in ihrem Dialog mit Klimafolgenforscher Ottmar Edenhofer unmissverständlich gespiegelt. Edenhofer hatte zum Auftakt auf den Jahresreport des Global Carbon Projects verwiesen, der für 2021 den weltweit höchsten Wert der CO2-Konzentration seit Menschengedenken prognostiziere. Die erste Corona-Welle habe den CO2-Ausstoss zwar kurzzeitig auf das Niveau von 2006 gesenkt, man werde aber schnell auf den ursprünglichen Wachstumspfad zurückgekehrt.

„Wir brauchen den strukturellen Wandel, der wirtschaftliches Wachstum vom Emissionswachstum radikal entkoppelt“, sagte Edenhofer.  Wenn die Tür zum 1,5 bis 2,0-Grad-Ziel offenbleiben soll, müsse der weltweite und auch nationale Kohleausstieg schneller erfolgen als geplant. Dazu sei es notwendig, den nationalen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr nach ganz Europa zu überführen. Mit Ordnungsrecht sei das aber nicht zu machen, die Transformation ganzer Volkswirtschaften verlange nach einem Paradigmenwechsel. Die ökologische Wahrheit müsse über einen CO2- Preis abgebildet werden, der sozial verträglich bleibe und in Relation zur tatsächlich erzielten Dekarbonisierung steige.

Voraussetzung dafür sei, dass die europäische Wirtschaft keine Insel bleibe, sondern weltweit gleiche Ziele verfolgt würden. „Denn es geht   um den Planeten als Ganzes“, so Edenhofer, „das darf nicht abhängen vom Wohlstand einer Nation.“ Weltweite Kooperationen seien zwar im Pariser Klimaschutzabkommen angelegt, aber unvollkommen verwirklicht. Mit der US-Präsidentschaft von Joe Biden und dem jüngsten Bekenntnis von China zur Treibhausgas-Neutralität bis 2060 eröffne sich zusammen mit dem Green Deal für Europa die Chance eines multilateralen Zukunftslabors, das den Weg für eine globale Bewirtschaftung der gemeinsamen Güter bereiten könnte. In diesem Zusammenhang regte Edenhofer an, künftig nicht nur konkrete Projekte, sondern auch multilaterale Politik finanzieren. „Damit könnte man den schlafenden Riesen internationaler Kooperation wecken“, so Edenhofer.

„Es wäre uns zu wünschen, dass die Staaten hierzu untereinander das Misstrauen überwinden“, sagte Rita Schwarzelühr-Sutter. In Deutschland werde die Diskussion aber gerade dominiert von der preislichen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit den USA und China. Der CO2-Preis werde als „Belastung obendrauf“ wahrgenommen.

Die Wirtschaft müsse darauf vertrauen dürfen, dass sich Investitionen in grüne Zukunftstechnologien rechnen, weil die Preise für CO2-Emissionen im Gegenzug so hoch seien, dass Vermeidung zwingend werde, sagte Edenhofer dazu. Gleichzeitig sollten über kluge Technologiepolitik Anreize für begrenzte Subventionen geschaffen werden. Nur unter solchen Voraussetzungen seien Unternehmer dazu bereit, wirtschaftliche Risiken einzugehen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Wenn der CO2-Preis 2030 auf mehr als 100 Euro steige, müsse der daraus resultierende Benefit für alle Bevölkerungsgruppen vermittelbar bleiben, sagte Rita Schwarzelühr-Sutter. Sie erläuterte am Beispiel einer Krankenschwester die Belastung durch ein solches Instrument im ländlichen Raum. Das sei mit städtischer Mobilität nicht vergleichbar. „Und ein E-Auto müssen sich die Leute dann erst einmal leisten können“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete weiter. Deshalb sei es notwendig, die Menschen und die Industrie gleichermaßen mit auf den Transformationspfad zu nehmen. Der CO2-Preis sei zwar als zentrales Instrument denkbar und könne zum Schlüssel für das Emissionsproblem werden, dafür sei es aber notwendig, dass der Einsatz dieses Instrumentes über alle Ebenen ineinandergreife. „Wir müssen damit bis hinein in die Kommunen und in den Lebensalltag der Menschen überzeugen“, so Rita Schwarzelühr-Sutter abschließend, „deshalb fördern wir vom Bund Investitionen in die Elektromobilität und den Öffentlichen Personenverkehr.“

Den vollständigen Klima-Dialog mit Prof. Dr. Ottmar Edenhofer und Rita Schwarzelühr-Sutter gibt es hier zum Nach-Hören:

201210 Wir Machen Zukunft mit Prof Dr Edenhofer