Nach traumatischen Kriegserfahrungen ein warmes Willkommen

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine hat in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem zweiten Weltkrieg ausgelöst. Vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen verlassen ihre Heimat und suchen Zuflucht in den europäischen Nachbarländern. In Polen halten sich inzwischen mehr als zwei Millionen Geflüchtete auf, in Deutschland wird ihre Zahl derzeit auf knapp  285.000 beziffert. Nachdem alle EU-Staaten in großer Geschlossenheit ihre Bereitschaft signalisiert haben, einen Teil der Geflüchteten unbürokratisch aufzunehmen und zu versorgen, müssen wir jetzt für eine gerechte und pragmatische Verteilung in der ganzen EU sorgen. Dazu haben wir gemeinsam mit Polen und Frankreich Drehkreuze eingerichtet, um kurze Reisewege in weitere Länder zu ermöglichen. Viele Geflüchtete haben konkrete Ziele, zu denen sie direkt reisen wollen, weil sie dort von Familien oder Freunden aufgenommen werden. Die große Bereitschaft der Europäer – und damit meine ich die Bevölkerung der einzelnen Länder – Geflüchtete aufzunehmen und ihnen das Ankommen zu erleichtern, ist beeindruckend. Beispielsweise hier …

Samstags in Stühlingen: Zu Besuch bei der Spedition LOG. Seit Beginn des Krieges schickt das Familienunternehmen von Janina und Rolf Sperisen Transportfahrzeuge mit Hilfsgütern an die ukrainische Grenze. Auf dem Rückweg nehmen ihre mutigen Fahrer dann Frauen und Kinder aus den Kriegsgebieten auf und bringen sie sicher auf das Gelände der Spedition im Stühlinger Gewerbegebiet „Sulzfeld“. Ihre neuen Büro- und Tagungsräume dort sind jetzt mit Betten und Matratzen ausgestattet.. Einen Aufenthaltsraum hat die Familie Sperisen in ein provisorisches Klassenzimmer verwandelt, in dem jetzt die geflüchteten Kinder unterrichtet werden. Dass Janina Sperisen sowohl russisch als auch ukrainisch spricht und slawische Sprachen studiert hat, erleichtert die Kommunikation.  Nach den traumatischen Kriegserfahrungen treffen die Geflüchteten hier auf ein warmes Willkommen in Deutschland. Als mittelständisches Unternehmen und auch als Privatpersonen leisten die Spereisens Unglaubliches. Die Hingabe und Herzlichkeit, mit der bei der Spedition LOG den Geflüchteten geholfen wird, beeindruckt außerordentlich. Sie steht exemplarisch für den solidarischen und herzlichen Geist, der unsere Region seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auszeichnet. Der Einsatz von helfenden Menschen, Organisationen und Unternehmen kann nicht genug gewürdigt werden.

Sonntags in Tiengen: Gemeinsam solidarisch mit den von Putins Krieg bedrohten Menschen in der Ukraine. Das ging am verkaufsoffenen Sonntag bei den Tiengener Akteuren für den Frieden auf vielfältige Weise Hand in Hand. Begleitet von der Band „Free Day“ unter Leitung von Andreas Kowalski trat die ukrainische Pop-Jazz-Sängerin Lesia Kuzhel auf, die selbst vor dem schrecklichen Krieg aus ihrem Heimatland  geflüchtet ist. Finanzielle Hilfe in Höhe von 10.000 Euro gab es von den Geschäftsinhabern in Waldshut-Tiengen für „Jesuiten weltweit“. Diese Organisation unterstütz mit dem Geld ihre osteuropäischen Partner bei der Versorgung von Geflüchteten. Überreicht wurde der Scheck von Dr. Rolf Winterhalter. Aktionen wie diese sind nicht nur ein klares Zeichen, dass wir in diesen Tagen zu keinem Zeitpunkt vergessen dürfen, dass in der Ukraine Freiheit und Demokratie stellvertretend für ganz Europa verteidigt wird, dass jeder finanzielle Beitrag und jedes ganz persönliche Engagement wichtig ist, um die Folgen der brutalen Aggression ein kleines bisschen zu lindern. Dafür allen Akteuren und Spendern ein großes Dankeschön. Nicht nur in Tiengen.

Montags in der LEA Sigmaringen: Der Besuch in der Landeserstaufnahme-Einrichtung (LEA) hinterlässt zwei maßgebliche Eindrücke. Da sind die Schilderungen der geflüchteten Familien, die von ihrem Leben in der Ukraine berichten, über ihre traumatische Kriegserfahrung, die Strapazen ihrer Flucht in den Westen und ihren Zukunftshoffnungen. Das geht tief und stärkt die Überzeugung, dass wir die Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, (nicht nur hier im LEA) unbürokratisch aufnehmen und zügig weiter zu ihrem Zielort bringen müssen, an dem sie sich mit Abstand zum brutalen  Krieg  einen neuen Alltag aufbauen können, mit Schulunterricht für die Kinder und Arbeit für die Erwachsenen. Dafür müssen Verwaltungsvorgänge wie  beispielsweise die Registrierung reibungslos funktionieren und die Verteilung – sowohl auf unsere Bundesländer als auch auf die übrigen EU-Staaten –  pragmatisch gesteuert werden.