Partei-Taktik über die Gesundheitsvorsorge gestellt

Die Schutzimpfung bleibt das bestmögliche Mittel zur Vorsorge gegen die nächste Corona-Welle. Daran ändert sich auch nichts, nachdem im Bundestag keine Mehrheit für eine vorbeugende Impf- und Beratungsnachweispflicht möglich war. Vielmehr ist es geradezu traurige Ironie, dass ausgerechnet am Weltgesundheitstag ganz offensichtlich bei CDU/CSU die Partei-Taktik das Verantwortungsbewusstsein beim Abstimmungsverhalten überlagerte. Denn verbindlich vorzusorgen gegen die Folgen einer weiteren Corona-Mutante wäre die richtige Entscheidung gewesen zu einem Zeitpunkt, an dem nach mehr als zwei Jahren Pandemie gerade alle bisherigen Schutzmaßnahmen – wie beispielsweise die Maskenpflicht – weitestgehend aufgehoben werden, obwohl die Infektionszahlen noch immer sehr hoch sind und weiter täglich bis zu 300 Corona-Tote gemeldet werden. Statt mit einem wirksamen Minimalkonsens gehen wir ohne Not mit einer offenen Flanke im Gesundheitswesen der Herbst/Winter-Phase entgegen, in der die Covid-19-Infektionsgefahr wieder besonders hoch sein wird.

Mit der Impfnachweispflicht ab 60 wäre genau die Altersgruppe vorsorgend gegen die nächste Corona-Herbst-Winter-Welle geschützt worden, die das höchste Risiko hat, mit schwerwiegenden bis tödlichen Folgen an einer der Corona-Varianten zu erkranken. Die Beratungspflicht für 18- bis 59-Jährige hätte wesentlich dazu beitragen können, eine Vielzahl der kursierenden Falschinformationen zu widerlegen und die bestehende Impflücke auch in dieser Altersgruppe auf freiwilliger Basis ein gutes Stück mehr zu schließen. Dieser Minimalkonsens, für den ich mit 295 weiteren Abgeordneten im Bundestag gestimmt habe, hat leider keine Mehrheit bekommen. Mit welchen Argumenten die Entscheidung beeinflusst wurde – nachzulesen oder noch einmal anzuschauen: Vor der Entscheidung wurde im Bundestag noch einmal heftig debattiert.

Eigentlich hatte ich mir gewünscht, dass es uns mit einer allgemeinen Impfverpflichtung für alle Erwachsenen gelingt, das Infektionsrisiko in der gesamten Gesellschaft VOR der nächsten Corona-Welle bestmöglich zu senken, nicht erst dann, wenn sie unser Gesundheitswesen bereits wieder überrollt. Das Mindestalter für eine Impfnachweispflicht auf 60 Jahre festzulegen, war für mich ein Kompromiss, mit dem immerhin die besonders vulnerable Altersgruppe vorsorglich geschützt worden wäre. Dass in dieser so wichtigen Frage nicht einmal dieser Minimalkonsens zu erzielen war, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das Votum wird aber umso erstaunlicher, wenn wir uns daran erinnern, dass noch vor vier Monaten – unter dem Eindruck der Gefahr, die von der Delta-Variante ausging – vor allem auch in den unionsregierten Bundesländern sehr laut nach einer Impfpflicht gerufen wurde mit dem Ziel, VOR DIE NÄCHSTE WELLE ZU KOMMEN.

Die Impfung bleibt auch – oder gerade – in einem Sommer mit zurückgewonnenen Freiheiten der bestmögliche Schutz gegen das Virus. Dafür müssen wir jetzt gemeinsam umso stärker auf freiwilliger Basis werben.