Rita Schwarzelühr-Sutter – Newsletter 15/2020

 

Ab Januar 2021 werden fossile Brennstoffemissionen für Verkehr und Wärme mit einem CO2-Preis belegt. Im Gegenzug sinkt die sogenannte EEG-Umlage.

Die SPD-Bundestagsfraktion bekennt sich ausdrücklich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Sie befürwortet die globale Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten und auf möglichst 1,5 Grad Celsius begrenzen. Die SPD-Fraktion hat schon 2010 in einem Antrag im Deutschen Bundestag ein Klimaschutzgesetz gefordert, um die Klimaziele verbindlich zu machen. In der Großen Koalition sind die SPD-Abgeordneten die treibende Kraft für weitreichende klimapolitische Maßnahmen. Die SPD-Fraktion hat 2019 das Klimaschutzgesetz und das Klimaschutzprogramm 2030 auf den Weg gebracht, das umfangreiche Maßnahmen enthält, die den CO2-Verbrauch senken und klimafreundliches Verhalten fördern sollen.

Ein wesentlicher Baustein des Klimaschutzprogramms ist die CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme ab 2021. Damit werden in Deutschland sämtliche fossile Brennstoffemissionen mit einem CO2-Preis belegt. Er umfasst alle Wirtschaftsbereiche, die nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Damit soll erreicht werden, dass sich klimaschonendes Verhalten lohnt. Die Einführung des CO2-Preises erfolgt über das Brennstoffemissionshandelsgesetz, das der Bundestag im November 2019 beschlossen hat. Im Rahmen des Vermittlungsverfahrens haben Bundestag und Bundesrat Ende 2019 eine Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Zertifikatspreise vereinbart.

Mit dem „Ersten Gesetz zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes“ hat der Bundestag nun die vereinbarten Regelungen am Donnerstag beschlossen. Demnach wird die Tonne CO2 zu Beginn des Zertifikathandels am 1. Januar 2021 25 Euro statt 10 Euro kosten und bis 2025 auf 55 Euro ansteigen. Für das Jahr 2026 wird ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt. Ab 2027 erfolgt eine freie Preisbildung, analog zum EU-Emissionshandel.

Sozial gerechter Umbau zur klimaneutralen Gesellschaft

Das nationale Bepreisungssystem soll dazu beitragen, dass die deutschen und europäischen Klimaschutzziele erreicht werden, indem es CO2-Emissionen sukzessive verteuert und Anreize für den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen schafft. Damit ist ein Anfang gemacht auf dem Weg zu einem sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft.

Der SPD-Fraktion zufolge kann der Umbau zu einer klimaneutralen Gesellschaft jedoch nur gelingen, wenn er solidarisch abläuft und er ausgewogen und sozial gerecht ist. Die SPD-Abgeordneten sind davon überzeugt, dass Klimaschutz nur gelingen kann, wenn er auf breite Akzeptanz stößt und möglichst alle Menschen mitgehen. Darum haben sie sich in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern erfolgreich gegenüber der Union, der FDP und den Grünen dafür eingesetzt, dass die zusätzlichen Einnahmen aus dem höheren Startpreis der Zertifikate an die Verbraucher*innen zurückgegeben werden.

Die CO2-Bepreisung ist daher an eine schrittweise Reduzierung der EEG-Umlage aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung geknüpft. Davon profitieren auch die Unternehmen. Außerdem wird ab dem 1. Januar 2024 die zusätzliche Entfernungspauschale für Fernpendler angehoben.

Zur zusätzlichen Regelung der Lastenverteilung der CO2-Bepreisung zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen haben die SPD-geführten Ministerien ein Eckpunkte-Papier vorgelegt. Wenn der CO2-Preis ab 2021 das Heizen mit Öl und Gas verteuert, sollten aus Sicht der SPD-geführten Ministerien für Finanzen, Umwelt und Justiz Vermieter die Hälfte der zusätzlichen Kosten tragen.

Verlagerungen ins Ausland verhindern

Für Unternehmen, die mit ihren Produkten in besonderem Maße im internationalen oder europäischen Wettbewerb stehen, kann die CO2-Bepreisung zum Problem werden. Sie könnten in die Lage geraten, dass sie die zusätzlichen Kosten nicht über die Produktpreise abwälzen können, wenn ausländische Wettbewerber keiner vergleichbar hohen CO2-Bepreisung unterliegen. In diesen Fällen könnte es dazu kommen, dass die Produktion möglicherweise ins Ausland abwandert („Carbon Leakage“). Damit aber gewährleistet wird, dass bei einem höheren Einstiegspreis betroffene Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben, wurde im Vermittlungsverfahren auch vereinbart, bereits mit Rückwirkung zum 1. Januar 2021 erforderliche Maßnahmen zur Vermeidung von „Carbon Leakage“ zu regeln.

Zwar ist die CO2-Bepreisung Teil einer notwendigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, aber Deutschland muss gleichzeitig auch ein attraktiver Wirtschaftsstandort für alle Branchen bleiben. Denn von einer Verlagerung der Produktion ins Ausland wären nicht nur Arbeitsplätze betroffen, sondern es wäre auch für den Klimaschutz nichts gewonnen – die CO2-Emissionen entstünden lediglich woanders, möglicherweise käme es sogar zu insgesamt höheren Emissionen.

Die Bundesregierung hat deshalb am 23. September 2020 die von der Bundesumweltministerin vorgelegten Eckpunkte zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen beschlossen. Unternehmen erhalten künftig auf Grundlage der sogenannten Carbon-Leakage-Verordnung einen finanziellen Ausgleich, sofern ihnen durch die CO2-Bepreisung Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen.

Betrieben die nötige Zeit geben

Im parlamentarischen Verfahren haben die Koalitionsfraktionen in einem Entschließungsantrag die Notwendigkeit eines angemessenen Carbon-Leakage-Schutzes unterstrichen und konkrete Forderungen zur Ausgestaltung der Rechtsverordnung formuliert: „Wir müssen Unternehmen bei der Transformation hin zu mehr Klimaschutz unterstützen und ihnen die nötige Zeit geben. Betriebe, die es nicht mehr gibt, können wir auch nicht mehr transformieren“, sagt Klaus Mindrup, Mitglied im Umweltausschuss.

Die Bunderegierung muss die Carbon-Leakage-Verordnung noch im laufenden Jahr dem Deutschen Bundestag zuleiten und bei der Ausgestaltung der Beihilferegelungen verstärkt die nationalen Besonderheiten berücksichtigen.

Zudem haben die parlamentarischen Beratungen verdeutlicht, dass bei der Umsetzung des Brennstoffemissionshandels in vielen Bereichen noch Klärungs- und Regelungsbedarf besteht. Dies betrifft unter anderem die Ausweitung der einbezogenen Brennstoffe ab dem Jahr 2023. So soll für den Bereich der Abfallverbrennung eine Verschiebung des Beginns der CO2-Bepreisung auf 2024 geprüft werden. Darüber hinaus haben sich die Koalitionspartner verständigt, die Verbrennung von Klärschlämmen aus der kommunalen Abwasserwirtschaft künftig mit einem Emissonsfaktor Null zu beziffern.

Das Gesetz zum Download:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/199/1919929.pdf

Der Bundesinnenminister hat zwei für die SPD-Fraktion zentrale Vorhaben aus der Novelle des Baugesetzes entfernt, die Mieter schützen sollen. Die SPD-Abgeordneten halten das für inakzeptabel.

Im August 2019 waren die Pläne eigentlich schon in trockenen Tüchern: „Die Bundesregierung beschließt Wohn- und Mietenpaket, und einigt sich auf Maßnahmen zum bezahlbaren Wohnen und der Schaffung zusätzlichen Wohnraums“, hieß es auf der Webseite des von Horst Seehofer geführten Innenministeriums, das auch für das Thema Bau zuständig ist.

Unter zahlreichen Maßnahmen wie etwa der Verlängerung der Mietpreisbremse standen auch diese für die SPD-Fraktion zentralen Vorhaben: Bis zum Ende des Jahres werde die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Möglichkeit zur Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen begrenze. Zudem werde sie einen Gesetzentwurf zur Änderung des Baugesetzbuchs vorlegen. Die Möglichkeiten für Kommunen zur Schließung von Baulücken sollen verbessert werden, etwa durch eine Weiterentwicklung des Vorkaufsrechts oder durch die erleichterte Anwendung eines Baugebots.

Es dauerte zwar viel länger als angekündigt, aber jetzt endlich stand die Novelle des Baugesetzbuchs nach einem guten ersten Entwurf aus dem Juni auf der Zielgeraden, um zeitnah im Kabinett verabschiedet werden zu können. Doch Horst Seehofer hatte am Dienstag einen neuen Entwurf an die anderen Ministerien versandt, in dem eine in einer früheren Version enthaltene Passage gestrichen worden war. In diesem neu vorgelegten Entwurf zur Baugesetzbuchnovelle waren die zwei wichtigen SPD-Vorhaben – Baugebote und Umwandlungsverbote – entgegen mehrfacher Vereinbarungen entfernt worden.

Entsprechend groß ist die Empörung in der SPD-Fraktion: Es sei „inakzeptabel“, dass Bauminister Seehofer vor dem Druck der Immobilienlobby und deren Vertretern in der Unionsfraktion eingeknickt sei, schreibt Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher, in einer Stellungnahme. „Unser Koalitionspartner zeigt sich ein Jahr vor der Bundestagswahl einmal mehr als Anti-Mieter-Parte. Das wird die SPD-Bundestagsfraktion nicht mittragen.“

Die Zeit drängt

Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte Kritik. So wie das Gesetz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in die Ressortabstimmung gegeben worden sei, könne es nicht bleiben, sagte er. „Niemand kann die Augen verschließen vor der schwierigen Lage am deutschen Wohnungsmarkt. In den Ballungsräumen unseres Landes steigen die Mieten“, sagte Scholz. Diese Lage werde sich erst entspannen, wenn viel mehr und bezahlbare Wohnungen gebaut würden. „Dafür braucht es ein modernes Baurecht, das auch die Möglichkeit für die Städte enthält, Baugebote auszusprechen und die Umwandlung von Mietwohnungen zu beschränken“, so Scholz. Die Zeit dränge, die lange erwarteten Reformen duldeten „keinen Aufschub“ mehr.

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist in angespannten Wohnungsmärkten zum Geschäftsmodell geworden. Sie hat oft zur Folge, dass Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Meist werden die Häuser vor dem Verkauf aufwändig saniert und aufgewertet, damit steigt die Wahrscheinlichkeit von Mieterhöhungen. Die wenigsten Mieter haben die finanziellen Möglichkeiten, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Nach drei Jahren können die neuen Eigentümer Eigenbedarf anmelden.

Deshalb hat die SPD-Fraktion durchsetzen können, dass der Bund hier aktiv wird. Auf dem Wohngipfel 2018 im Kanzleramt, im Koalitionsausschuss im August 2019, in der Baulandkommission sowie auf Ministerebene konnte sie den Koalitionspartner mehrfach dazu bringen, einer gesetzlichen Regelung gegen diese völlig unsoziale Praxis gegen Mieter zuzustimmen. Auf wiederholten Druck der SPD-Fraktion und -Minister legte der verantwortliche Bauminister Seehofer im Juni 2020 einen Entwurf zur BauGB-Novelle vor, der diese Vereinbarung auch endlich umsetzt. Damit sollen, wie es auch in der Gesetzesbegründung heißt, Mieter vor Verdrängung durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geschützt werden.

Nicht nur diese Einigung wurde nunmehr eigenständig vom Bauminister entfernt. Auch bei der enthaltenen Regelung zur Erleichterung der Anwendung von Baugeboten wurde der Koalitionspartner wortbrüchig. Horst Seehofer hat in der Novelle genau die Regelungen gegen Spekulation im Wohnungsbau gestrichen. Das ist das Gegenteil der sozialen Versprechungen des CSU-Parteivorsitzenden, Markus Söder. Beim Wohngipfel im September 2018 von Bund, Ländern und Kommunen war vereinbart worden: „Der Bund strebt an, unter Einbeziehung von Ländern und Kommunen die Möglichkeiten zu reduzieren, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Ausnahmen sollen nur in Einzelfällen geltend gemacht werden dürfen.“

Das Innenressort hatte dazu am Mittwoch erklärt, in der Länder- und Verbände-Anhörung zum Baulandmobilisierungsgesetz habe sich gezeigt, dass die dort ursprünglich enthaltene Regelung zur Wohnungsumwandlung „unter den Ländern derzeit streitig“ sei. „Daher ist diese Regelung aus dem aktuellen Gesetzentwurf ausgeklammert worden.“

„Die Anwältin der Mieter ist und bleibt die SPD-Fraktion“, so Daldrup. Gemeinwohl und Stadtentwicklung stünden für die Abgeordneten der SPD immer vor Rendite und Spekulation. „Wir verlangen von der Union, den gemeinsamen Koalitionsbeschluss umzusetzen. Ein Scheitern wäre ein fatales Versagen des Bauministers“, fordert Daldrup. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef, Sören Bartol, sagte: „Ohne ein Umwandlungsverbot und ein Baugebot wird es mit der SPD-Fraktion im Bundestag keine Novelle des Baugesetzbuches geben.“

Der Bundestag hat am Freitag einen Antrag der Koalitionsfraktionen zur Stärkung des Gedenkens an die Opfer der deutschen Vernichtungskriege verabschiedet.

In dem Antrag „Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskriegs stärken und bisher weniger beachtete Opfergruppen des Nationalsozialismus anerkennen“  ist die Realisierung einer Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte vorgesehen, die sich mit der Geschichte und Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft auseinandersetzt. Damit schließt der Deutsche Bundestag eine Lücke in der deutschen Erinnerungskultur. Es werden Informationen bereitgestellt, die historischen Zusammenhänge vermittelt, über das geschehene Leid in Europa wie Deutschland aufgeklärt und den Nachkommen der Opfer Raum für Gedenken und Erinnerung gegeben.

„Mit dem heute verabschiedeten Antrag setzen wir einen Meilenstein für die Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland“, sagte Marianne Schieder, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Ausmaße der Verbrechen der Nationalsozialisten im Osten und Südosten Europas viel zu wenig im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert seien und „wir damit den Millionen Opfern in keiner Weise gerecht wurden und werden“.

Der besonderen Betroffenheit der Opfernationen der grausamen NS-Besatzungspolitik wird der SPD-Fraktion zufolge in angemessener Weise Rechnung getragen. „Wir schaffen damit auch einen Ort des Dialogs und öffnen den Raum für eine transnationale Geschichtssicht. So wirken wir einer um sich greifenden populistischen Instrumentalisierung von Geschichte entgegen“, sagte Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion.

Unter der Einbeziehung der Expertise der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas soll durch eine Arbeitsgruppe aus fachlich einschlägig ausgewiesenen Wissenschaftler*innen ein Umsetzungsvorschlag erarbeitet werden, der die Gedenkstättenkonzeption des Bundes ebenso berücksichtigt wie die Arbeit der Gedenkstätten und Dokumentationszentren und die einschlägigen Angebote der Geschichtsmuseen in Deutschland.

Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Realisierungsvorschlag zur Errichtung einer solchen Einrichtung vorzulegen. Die Bundesregierung soll den Abgeordneten zufolge bis zum 31.12.2020 einen Zeit- und Maßnahmenplan vorlegen und kontinuierlich über den Arbeitsstand berichten.

Der Antrag zum Download:

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/231/1923126.pdf

Mit der Änderung des Bundeswahlrechts soll die Vergrößerung des Bundestags begrenzt werden. Bei der Bundestagswahl 2025 wird die Anzahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert. 

Der Deutsche Bundestag hat auf der Grundlage des bisherigen Wahlrechts bei der Bundestagswahl 2017 eine Größe von 709 Abgeordneten angenommen, eine weitere Erhöhung der Sitzzahl ist nicht ausgeschlossen. Dies könnte den Bundestag an die Grenzen seiner Arbeits- und Handlungsfähigkeit bringen.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, den der Bundestag am Freitag beschlossen hat, soll der weiteren Vergrößerung der Institution entgegenwirken.

Er hält am Wahlsystem der „personalisierten Verhältniswahl“ fest.  Wähler in Deutschland haben eine Erst- und eine Zweitstimme. Mit der Erststimme wählen sie eine bestimmte Person ihres Wahlkreises, es ist der „personalisierte“ Teil des Wahlsystems. Mit der Zweitstimme werden Parteien gewählt, sie entscheidet über die Zusammensetzung des Bundestages. Nach der Wahl werden die Zweitstimmen der Parteien proportional nach Wahlerfolg auf die Länder aufgeteilt. Dort wird die Anzahl dieser Mandate mit der Anzahl der dort gewonnenen

Direktmandate verrechnet. Gibt es mehr Direktmandate als über die Zweitstimme gewonnenen Mandate, entstehen sogenannte „Überhangmandate“. Das ist ein Grund für die steigende Zahl der Abgeordneten.

2013 wurde das Wahlrecht geändert, um diese Überhangmandate auszugleichen, mit sogenannten Ausgleichsmandaten. Keine Partei sollte durch die Überhangmandate einen Vorteil erhalten. Anfallende Überhangmandate werden durch die Ausgleichsmandate mit Blick auf den bundesweiten Zweitstimmenproporz vollständig ausgeglichen. Die Gesamtzahl der Sitze wird so lange vergrößert, bis die Überhangmandate für eine Partei keinen relativen Vorteil mehr darstellen und so eine föderal ausgewogene Verteilung der Bundestagsmandate zu gewährleistet wird. Auch diese Praxis führte zur Vergrößerung des Bundestags.

Kommission soll bis 2023 weitere Reformen empfehlen

Um der Bundestagsvergrößerung entgegenzuwirken, soll nach der Änderung des Bundeswahlgesetzes ab der Bundestagswahl 2025 die Zahl der Wahlkreise von 299 auf künftig 280 reduziert werden. Bereits für die nächste Bundestagswahl soll gelten, dass mit dem Ausgleich von Überhangmandaten erst nach dem dritten Überhangmandat begonnen wird. Zudem sollen Überhangmandate, die einem Bundesland entstehen, wenn eine Partei dort mehr Direktmandate erringt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, mit Listenplätzen der Partei in anderen Ländern teilweise verrechnet werden.  Bezogen auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wäre damit eine Absenkung der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen, heißt es in einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.

Dem Deutschen Bundestag wurde zudem aufgegeben, eine Reformkommission einzusetzen, die sich mit Fragen des Wahlrechts befasst und hierzu bis zum 30. Juni 2023 Empfehlungen erarbeitet. Die Kommission soll sich mit der Frage des Wahlrechts ab 16 Jahren sowie mit der Dauer der Legislaturperiode befassen und Vorschläge zur Modernisierung der Parlamentsarbeit erarbeiten sowie weitere Fragen des Wahlrechts erörtern. Außerdem soll sie Maßnahmen empfehlen, um eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und im Bundestag zu erreichen. Dieser Punkt ist der SPD-Bundestagsfraktion besonders wichtig.

Die SPD-Fraktion hatte im März Vorschläge zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vorgelegt. Kernpunkt war, die Größe des Bundestages bereits bei den Bundestagswahlen 2021 auf maximal 690 Abgeordnete zu begrenzen und Kandidatenlisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen.

Die SPD-Fraktion sieht das jetzt beschlossene Gesetz laut Fraktionschef Rolf Mützenich „nicht mit Euphorie“, trägt den in der Koalition ausgehandelten Kompromiss aber dennoch mit.

Corona-Notfallregelung für die Bundestagswahlen

In einer weiteren Änderung des Bundeswahlgesetzes streben CDU/CSU und SPD eine Corona-Notfallregelung für die Vorbereitung der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 an. Dieses Gesetz hat der Bundestag am Freitag beschlossen. Konkret geht es um das Verfahren zur Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten. Dazu müssen die Parteien bislang zwingend Parteitage oder vergleichbare Versammlungen einberufen. Nach der aktuellen Fassung des Bundeswahlgesetzes gibt es im Falle einer Pandemie keine Möglichkeit, aus infektionsschutzrechtlichen Gründen auf die Durchführung der Kandidat*innenaufstellung in Versammlungen zu verzichten. Dies könnte aber bei einer erneuten Verschärfung der Infektionslage schwierig bis unmöglich werden.

In Ausnahmesituationen soll dies laut dem Entwurf auch durch eine Mischung aus Briefwahl und elektronischem Verfahren ermöglicht werden. Bedingung ist, dass der Bundestag vorab feststellt, dass Versammlungen zur Aufstellung von Wahlbewerber*innen ganz oder teilweise unmöglich sind.

Das Bundesinnenministerium wird in diesem Fall ermächtigt, qua Rechtsverordnung, die ebenfalls der Zustimmung des Bundestages bedarf, Abweichungen von den Bestimmungen zur Aufstellung der Wahlbewerber*innen zuzulassen – dies jedoch nur als letztes Mittel, um die Durchführung der Wahlen zu sichern.

Die Gesetze zum Download:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/225/1922504.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/205/1920596.pdf

Das sogenannte „P-Konto“ ermöglicht Schuldnern den Zugriff auf den unpfändbaren Teil ihrer Einkünfte. Nun soll es weitere Erleichterungen geben.

Im Juli 2010 trat das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes mit Einführung eines Pfändungsschutzkontos (P-Konto) in Kraft. Dieses „P-Konto“ eröffnet Inhabern eines Girokontos ein unbürokratisches Verfahren, um während der Kontopfändung Zugriff auf den unpfändbaren Teil ihrer Einkünfte zu behalten und so weiter am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Bevor das P-Konto im Juli 2010 eingeführt wurde, führte die Pfändung eines Girokontos zur kompletten Blockade. Zahlungsgeschäfte des täglichen Lebens wie die Begleichung von Mieten, Energiekosten oder Versicherungen konnten nicht mehr über das Konto abgewickelt werden.

Das Pfändungsschutz-Konto sichert eine angemessene Lebensführung des Schuldners und seiner Unterhaltsberechtigten. Jede*r Berechtigte kann ein separates P-Konto errichten und von dessen Schutz profitieren. Das P-Konto wirkt sich auch positiv auf die Belange der Gläubiger aus. Denn wer weiter arbeiten und mit seinen pfandfreien Einkünften wirtschaften kann, wird am Ende auch seine Schulden tilgen können. Weil die Verwaltung von Kontopfändungen beim P-Konto weniger aufwändig und bürokratisch ist, profitieren überdies Banken und Sparkassen von den angepassten Regelungen.

Der Pfändungsschutz soll Schuldnerinnen und Schuldnern in der Zwangsvollstreckung ein Leben ermöglichen, das ihren Lebensunterhalt sichert.

Grundsätzlich hat sich das P-Konto bewährt, soll nun aber in Teilen weiterentwickelt werden. Das Gesetz, das diese Woche vom Bundestag beschlossen wurde, sieht unter anderem Neuregelungen zum Kontopfändungsschutz in der Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Erstmalig werden Vorschriften für die Pfändung eines gemeinsamen Zahlungskontos und für den Kontenwechsel geschaffen. Darüber hinaus werden mit dem Gesetz Regelungen eingeführt, die Schutz von Guthaben bei Pfändung eines Gemeinschaftskontos sichern.

Ist das pfändungsgeschützte Guthaben bis zum Ende des Kalendermonats nicht aufgebraucht, konnte der verbleibende Guthabenrest bisher einmalig in den Folgemonat übertragen werden. Diese Möglichkeit des sogenannten Ansparens wird verbessert, so dass künftig die Übertragung des nicht verbrauchten pfändungsfreien Guthabens bis zu drei Monate verlängert werden kann. Weitere Änderungen erfolgen bei der Verkürzung des Anpassungszeitraums für die Pfändungsfreigrenzen auf ein Jahr, beim Pfändungsschutz von Kulturgegenständen, die der Ausübung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit dienen, der Sicherstellung des Vollstreckungsschutzes für Sachen Privater, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind.

Das Gesetz zum Download:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/198/1919850.pdf

Auf Empfehlung der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates werden neue Ordnungsgelder bei Verstößen gegen die Transparenzregeln eingeführt.

Mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf, der am Mittwoch beschlossen wurde, werden – teilweise auf Grundlage der Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) – die Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete reformiert.

Bisher können lediglich Verstöße gegen die Anzeigepflicht von anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften mit einem Ordnungsgeld sanktioniert werden. Für Verstöße gegen die Anzeigepflicht von anzeigepflichtigen Spenden oder gegen das Annahmeverbot von unzulässigen Zuwendungen oder Vermögenvorteilen waren Ordnungsgelder bisher nicht vorgesehen sind. Diese Regelungslücke wird jetzt geschlossen.

Ordnungsgelder dürfen künftig auch dann verhängt werden, wenn Mitarbeiter*innen von Abgeordneten unzulässig beschäftigt sind, etwa im Falle des rechtswidrigen Mitarbeitereinsatzes im Wahlkampf – eine Maßnahme, die auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2017 zurückgeht.

Eine weitere Änderung betrifft die Lebensläufe von Abgeordneten: Bei beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten darf eine Mitgliedschaft im Bundestag nicht angegeben werden. Um jedoch größere Lücken in den Lebensläufen der Abgeordneten zu vermeiden, soll künftig nur der missbräuchliche Hinweis unzulässig sein. Zudem soll die Druckversion des Amtlichen Handbuchs des Deutschen Bundestages abgeschafft werden.

Das Gesetz zum Download:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/135/1913507.pdf

Multinationale Unternehmen profitieren von Doppelbesteuerungsabkommen, weil sie so nur in einem Land ihre Steuerlast begleichen. Manche nutzen Lücken in den Abkommen jedoch für Betrug aus.

Von einer wirtschaftlich globalisierten Welt profitieren nicht zuletzt weltweit agierende, multinationale Unternehmen, indem sie ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagern und ihre Produkte weltweit verkaufen können. Jedes Unternehmen muss dafür seinen fairen Steueranteil zahlen – entweder dort, wo es ansässig ist, oder dort, wo es wirtschaftlich aktiv ist.

Damit die Besteuerungsrechte der betreffenden Staaten eindeutig ausgestaltet sind, weisen die nationalen Regierungen im Rahmen von so genannten Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht einem der beteiligten Staaten zu, um eine Doppelbesteuerung – oder auch Nichtbesteuerung – von Unternehmen zu vermeiden.

Die aktuell bestehenden Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen werden jedoch auch für Gewinnkürzungen und -verlagerungen ausgenutzt – insbesondere von multinationalen Unternehmen. Diese haben Lücken in den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen genutzt, um sich ihren steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen. Diesem Missbrauch muss stärker begegnet werden.

Mit dem Gesetz, das in dieser Woche im Bundestag verabschiedet wurde, wird deshalb ein Mindeststandard zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch angelegt. Gleichzeitig soll die Wirksamkeit der in Doppelbesteuerungsabkommen verankerten Streitbeilegungsmechanismen verbessert werden. Damit werden wichtige Empfehlungen des G20/OECD-Projekts gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung („Base Erosion and Profit Shifting“, BEPS) umgesetzt. In einem späteren Schritt werden die betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen durch ein Anwendungsgesetz konkret geändert.“

Das Gesetz zum Download:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/209/1920979.pdf

 


Information für die Menschen am Hochrhein und im Hochschwarzwald