Bundespräsident überreichte heute in Erfurt Deutschen Umweltpreis der DBU
Foto: DBU – Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Erfurt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den „Tausenden von Menschen“ im Land gedankt, dass das Wissen um Umwelt und Umweltschutz „in der Mitte der Gesellschaft tatsächlich angekommen“ sei. Bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) heute in Erfurt betonte er, Umwelt- und Klimaschutz gingen jeden Einzelnen etwas an „und jeder Einzelne kann hier etwas tun“. Gelingen könne eine große Aufgabe wie diese aber nur, „wenn wir Umwelt und Klimaschutz im globalen Kontext sehen. Die Umwelt endet nicht an Landesgrenzen, und auch ihr Schutz endet nicht dort. Die Folgen des Klimawandels sind längst auf der ganzen Welt spürbar, und sie sind existenziell.“ – Aus den Händen Steinmeiers erhielten die Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (Bremerhaven) und ein interdisziplinäres Abwasser-Expertenteam aus Leipzig um Prof. Dr. Roland A. Müller, Dr. Manfred van Afferden, Dr. Mi-Yong Lee und Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas.
„Fatal, wenn sich einer der größten Treibhausgasemittenten der Welt zurückzieht“
Vor rund 1.200 Festgästen – darunter der jordanische Botschafter Basheer Zoubi, der Parlamentarische Staatssekretär des jordanischen Wasserministeriums, Ali Subah, Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund und der frühere DBU-Umweltpreisträger und Bundesminister a.D. Prof. Dr. Klaus Töpfer – nannte es Steinmeier mit Blick auf die USA „fatal, wenn sich einer der größten Treibhausgasemittenten der Welt zurückzieht und die multilaterale Zusammenarbeit sogar insgesamt in Frage stellt“. Auch wenn der Weg zu globalen Lösungen nicht einfach sei und es dabei immer wieder weitere Rückschläge gebe, müssten „alle staatlichen und nicht-staatlichen Ebenen für den Klimaschutz zu einer größeren und funktionierenden Allianz zusammenfinden“. Das Staatsoberhaupt: „Wir können und wir werden auch weiterhin Fortschritte machen, wenn wir mit all denen zusammenarbeiten, die weiterhin an multilaterale Lösungen glauben – und die gibt es in allen Teilen der Welt, auch in den USA!“
Steinmeier fordert, dass Deutschland internationalen Verpflichtungen nachkommt
Die Klimawandel-Folgen seien nicht errechnet oder würden in eine ferne Zukunft prognostiziert. Vielmehr seien sie mit eigenen Augen auch bei uns jetzt schon zu sehen: Gletscherschmelze, häufigere Sturmschäden oder Veränderungen der Vegetationsgrenzen seien spürbare Zeichen – und immerhin seien ja in diesem Jahrhundertsommer die Themen Trockenheit und Wasser „auch an den Abendbrottischen der Deutschen“ angekommen. Wir müssten gemeinsam und schnell handeln, mahnte Steinmeier an: „Und natürlich muss Deutschland den internationalen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, auch tatsächlich nachkommen. Ich bin sicher, wir können das! Und andere vertrauen darauf, dass gerade wir – als eine starke Volkswirtschaft – unsere Vorreiterrolle, die wir beim Einsatz von erneuerbaren Energien und Umwelttechnologien gespielt haben, nicht aufgeben.“ Die Auseinandersetzungen um Klima und Umweltschutz – Stichwort Hambacher Forst – würden zunehmend unerbittlich. Aber um die zahlreichen und dringlichen Aufgaben gemeinsam zu lösen, müssten alle gesellschaftlichen Akteure einbezogen werden, um einen Ausgleich ökologischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher Interessen immer wieder hinzubekommen. Ermutigend sei, dass mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung auf internationaler Ebene ein gewaltiger Fortschritt erzielt worden sei. Der Weltgemeinschaft könne es gelingen, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen – auch beim Klimaschutz. Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 sei zwar wie alle multilateralen Abkommen nicht perfekt, aber es sei die Grundlage für alle weitere Zusammenarbeit – „und das muss es auch bleiben“.
„Klimawandel und Wassermangel treiben immer mehr Menschen zur Flucht“
Auch der Schutz des Wassers sei von zentraler Bedeutung, sei es doch Lebenselixier, Lebensmittel und Lebensfreude. In vielen Teilen der Welt, in denen mehr als zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser hätten, seien Menschen im täglichen Überlebenskampf. Steinmeier: „Regionen, in denen der wenige Regen ganz ausbleibt, werden immer zahlreicher. Klimawandel und Wassermangel treiben immer mehr Menschen zur Flucht.“ Deshalb sei er sich nicht sicher, ob die Nachricht über die Befahrbarkeit der Nordwestpassage wirklich eine gute Nachricht sei – beschreibe sie doch zugleich, dass Klimaveränderungen gewaltigen Ausmaßes die Bedingungen im Polarmeer entscheidend verändern würden. Und schwinde das Polareis, würden nicht nur die Wasserpegel steigen, seien nicht nur viele Küstenregionen, gar ganze Inselstaaten in ihrer Existenz bedroht, sondern – weitaus dramatischer noch – gerate mit dem Abschmelzen des Polareises die Balance des Weltklimas endgültig aus den Fugen.
„Sie machen auch Mut – und das ist unendlich wichtig“
Deshalb freue er sich umso mehr, den Deutschen Umweltpreis Wissenschaftlern zu überreichen, die sich mit dem Schutz des Wassers und der Meere beschäftigen. Prof. Boetius etwa lasse keinen Zweifel daran, wie weit der Klimawandel schon vorangeschritten sei und an der Dringlichkeit des Handelns. Aber Pessimismus strahle sie deshalb trotzdem nicht aus. Ihre Zuversicht habe vielmehr eine Strahlkraft, die andere mitziehe. Das Ozonloch, das sich offenbar langsam wieder zu schließen beginne, nachdem das Problem erkannt und die internationale Staatengemeinschaft entsprechende Schritte eingeleitet habe, sei für sie ein Beispiel, auf die Vernunft und Verantwortung der Menschen hoffen zu können. Die Arbeit der Leipziger Abwasser-Experten trage viel dazu bei, dass Jordanien als eines der wasserärmsten Länder der Welt dem erklärten Ziel der Vereinten Nationen nach sauberem Wasser für alle näher komme, obwohl es durch den Krieg in Syrien mehr als 650.000 Menschen Zuflucht gegeben habe, inoffiziell seien es vermutlich mindestens noch einmal so viele. Dass Jordanien dennoch Hilfsbereitschaft zeige, sei eine Leistung, „die gar nicht hoch genug zu schätzen ist“, so Steinmeier. Die kostbare Ressource Wasser zu schützen, sei für Jordanien existenziell. Mit dem flexiblen, dezentralen Abwassersystem sei ein Paradigmenwechsel gelungen mit der Perspektive, die Menge des gereinigten Abwassers bis 2025 fast zu verdoppeln. Steinmeier über die Preisträger: „Sie vollbringen nicht nur Pionierleistungen, sondernzeigen Wege und Auswege, Perspektiven für eine bessere Zukunft! Und das ist unendlich wichtig in dieser Zeit voller Krisen, Umbrüche und Verunsicherung. Sie zeigen uns, dass der Klimawandel eben kein Schicksal ist, sondern dass wir dagegen etwas tun können oder dass wir unsere Zukunft gestalten können.“
Jury lobte Engagement der Preisträger
Als Mitglieder der Jury des Deutschen Umweltpreises, auf deren Vorschlag hin das Kuratorium der Stiftung die jeweiligen Preisträger eines Jahres auswählt, gingen Prof. Dr. Heidi Foth (Direktorin des Instituts für Umwelttoxikologie an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle) und Bettina Lorenz (Mitbegründerin des Vereins Zukunft selber machen – Junge Nachhaltigkeitsideen e.V. und DBU Promotionsstipendiatin) auf die Leistungen der Preisträger 2018 ein. Foth würdigte Boetius, weil es ihr gelinge, einen eigentlich sperrigen Forschungsgegenstand in die Gesellschaft hineinzutragen. Sie mache deutlich, dass die Mikroben in der Tiefsee als eine Art Schutzschild für uns alle arbeiteten, indem sie das Methan abbauten. Was Frau Boetius herausgearbeitet habe, sei für sie wie ein Augenöffner gewesen: „Wir müssen eine Menge gemeinsam machen.“ Zu den Leipziger Preisträgern sagte Bettina Lorenz, sie hätten nicht nur die technologische Leistung zur Entwicklung der Abwassersysteme erbracht, sondern sie auch vor Ort eingesetzt, was für eine technologieorientierte Gruppe eher ungewöhnlich sei. Das auf allen Ebenen zu schaffen, die für eine solche Umsetzung notwendig seien, sei „unglaublich beeindruckend“.
Boetius: Meereisrückgang, Klimawandel, Umweltgifte und Plastikmüll „dramatisch“
Die Preisträger selbst machten in Filmen, die während des Festaktes eingespielt wurden, und im Gespräch mit Moderatorin Judith Rakers ihre Positionen noch einmal deutlich. Antje Boetius sagte, die Tiefsee sei der größte belebte Raum der Erde, von dem aber erst weniger als der Bruchteil eines Prozentes überhaupt erforscht sei. Sie unterstrich die Bedeutung der Mikroorganismen im Meeresboden, die verhinderten, dass das klimaschädigende Treibhausgas Methan in die Atmosphäre gelange. Boetius: „Sonst wären wir praktisch auf einem anderen Planeten.“ Mit Blick auf den weltweiten Ausstoß des ebenfalls klimaschädigenden Kohlendioxids (CO2) mahnte Boetius, rasch zu handeln: „Während wir noch drüber nachdenken, wie wir uns verhalten, ob es wirklich sein muss, dass wir CO2 einsparen, wird schon alles anders.“ Als „dramatisch“, als „das Schreckliche“ bezeichnete Boetius, dass neben dem schnellen Meereisrückgang und dem schnellen Klimawandel am Meeresboden wie an der Meeresoberfläche auch Umweltgifte und Plastikmüll landeten – und zwar „nicht wenig“. Für sie gehe es „um alles, jetzt“. Es gehe darum, das Wissen aus den Beobachtungen in der Tiefsee und den Klima- und Erdmodellen „direkt in die Gesellschaft zu bringen, um auszuhandeln, wie wir uns für die Zukunft aufstellen müssen“. Boetius: „Das ist absolut wichtig!“
„Man kann konkret Beiträge zum Ressourcenschutz, zur Abwasserbehandlung leisten“
Roland A. Müller vom Leipziger Preisträger-Team wies darauf hin, dass weltweit etwa 90 Prozent des Abwassers nicht oder schlecht behandelt in die Umwelt entlassen würden. Deswegen müsse es das Ziel sein, den Anteil des geklärten, sauberen Wassers „für die nächsten Generationen deutlich zu erhöhen“. Dabei seien Lösungen vor Ort besonders umweltfreundlich, weil das Abwasser gereinigt werde, in der Gemeinde bleibe und dort wiederverwendet werden könne, ergänzte Mi-Yong Lee. Wichtig sei bei dem Abwasserprojekt in Jordanien und dem Bau eines Forschungs- und Demonstrationszentrum zum Thema Abwasser nahe der Grenze zu Israel gewesen, die Menschen vor Ort im direkten Kontakt so zu sensibilisieren, dass sie die gefundenen Lösungen als ihre eigenen Lösungen betrachteten, so Wolf-Michael Hirschfeld. Ein solches Vorgehen könne „zur Stabilisierung und zum Austausch zwischen den Ländern beitragen“, ergänzte Manfred van Afferden. Müller zusammenfassend: „Wir können natürlich als Forscher nicht die Welt retten, aber ich denke, dass unsere Arbeiten gezeigt haben, wie man konkret Beiträge zum Ressourcenschutz, zur Abwasserbehandlung leisten kann.“