Züge der Baureihe VT 612 vor dem Einsatz auf der Hochrheinbahn nicht geprüft
Grünes Landesverkehrsministerium stellt Sachlage zur Finanzierung der Elektrifizierung ungenau dar. Alternativen zur störanfälligen Baureihe VT 612 werden geprüft.
Die Elektrifizierung der Hochrheinbahn für den Bundesverkehrswegeplan anzumelden war eine typische Zirkusnummer von Winfried Hermann. Aus seiner Zeit als Vorsitzender des Verkehrsausschusses weiß er ganz genau, dass im Bundesverkehrswegeplan – mit bekannten Ausnahmen – nur überregionale Schienenprojekte eine Chance auf Aufnahme haben. Für Nahverkehrsprojekte wie die Hochrheinbahn stellt der Bund den verantwortlichen Ländern deshalb mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsprogramm (GVFG) gesonderte Mittel bereit. Mein Angebot an Winfried Hermann, in Berlin bei der Einwerbung der GVFG-Mittel zu unterstützen, steht bereits seit 2015. Die Mittel können aber eben nur bei den Berufspendlern und Bahnreisenden ankommen, wenn sie von Stuttgart auch abgerufen werden. Nach einer geplanten Grundgesetzänderung sollen die jährlichen Bundesmittel sogar auf 1 Mrd. Euro verdreifacht werden.
In seiner Antwort auf die Anfrage des Lörracher SPD-Landtagsabgeordneten Rainer Stickelberger erklärt der zuständige Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), dass die Leistung auf der Hochrheinbahn trotz Sofortprogramms weiterhin nicht den vertraglich festgelegten Standards entsprechen: „Bei den Qualitätsproblemen des Zugverkehrs auf der Hochrheinbahn sind Verbesserungen erkennbar, aber von einer flächendeckenden Behebung kann noch nicht die Rede sein.“ Den Wechsel zur Triebwagen Reihe VT 612 im neuen Landesdesign hat Winfried Hermann noch im April 2018 als erheblichen Fortschritt dargestellt. Damals freute er sich noch „dass nun alle Fahrgäste im Neigetechniknetz von den modernisierten Fahrzeugen mit neuen Sitzpolstern, vergrößerten Mehrzweckbereichen sowie Anlagen zur Videoüberwachung profitieren“.
Angesichts der bekannten Störanfälligkeit der Baureihe VT 612 hielten viele Bahnexperten diesen Optimismus schon früh für unangebracht. Stickelberger wollte deshalb wissen, wie sich das grüne Verkehrsministerium im Vorfeld der Bestellung und des Vertragsabschlusses genau über den Zustand der 20 Jahre alten und teilweise bereits ausrangierten Züge informiert hat: „Eine genaue Untersuchung im Einzelfall war nicht erforderlich, da die Fahrzeuge einer umfangreichen Modernisierung unterzogen wurde“, so Minister Hermann. Die Schuldigen an der aktuellen Misere seien vielmehr im DB Werk Kassel zu suchen. Hier sei es zu schweren Mängeln gekommen. Dieses Vorgehen ist für Stickelberger völlig unerklärlich: „Jeder der einen 20 Jahre alten Gebrauchtwagen mit bekannten Macken kauft, macht doch vorher eine Probefahrt. Ich kann nicht verstehen, dass die Warnungen der Bahnexperten nicht zu einer intensiveren Prüfung geführt haben.“
Angesichts der anhaltenden Probleme mit dem Modell VT 612 prüft das Verkehrsministerium aktuell auch den Umstieg auf andere Alternativen. Darunter sei auch eine Variante die den langfristigen Einsatz von Doppelstockwagen vorsieht. Sollte sich der Betrieb mit dem VT 612 allerdings stabilisieren, plant das Landesverkehrsministerium bis zur Elektrifizierung auf der Hochrheinstrecke weiter mit den bisherigen Triebwagen.