Das Infektionsschutzgesetz ist ein demokratisches Mittel zur Corona-Bekämpfung

Liebe Leserin, lieber Leser,

in den zurückliegenden Tagen sind in meinen Büros in Waldshut und Berlin viele Mails eingegangen und zahlreiche Anrufe notiert worden. Alle haben sich mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (3. Bevölkerungsschutzgesetz) befasst, die gestern vom Bundestag beschlossen wurde. Viele waren unsachlich und polemisch, aus einigen sprach Verunsicherung und Besorgnis, und eine ganze Reihe von Bürger*innen haben sich  sehr detailliert mit den verschiedensten Fragen der Pandemiebekämpfung auseinandergesetzt.

Bitte haben Sie Verständnis, dass ich in diesem Fall nicht jede Zuschrift und jeden Anruf persönlich beantworten kann. Mit einem Brief an Sie alle will ich die Entscheidung des Bundestages zum Infektionsschutz hier noch einmal erläutern.

„Der Bundestag beschließt ein Ermächtigungsgesetz! Die Bundeswehr wird euch zwangsimpfen!“

Haben Sie in den vergangenen Tagen solche oder ähnliche Nachrichten bekommen? Das sind absurde Theorien und Polemiken, die nichts dem Infektionsschutzgesetz zu tun haben. Gerade Rechtsextreme nutzen die unübersichtliche Pandemie-Lage aus, um gezielt Hetze zu betreiben und die Menschen mit Falschinformationen noch stärker zu verunsichern.

 

Richtig ist:

Der Bundestag hat ein neues Infektionsschutzgesetz beschlossen.

Mit Zwangsimpfungen hat das aber nichts zu tun. Was es mit diesem Gesetz wirklich auf sich hat, wird hier zusammengefasst – teilen Sie diese Information gerne in der Familie, mit Freunden, im Bekanntenkreis. Denn eines ist jetzt vor allem ganz wichtig:  #Wirhaltenzusammen

Vier grundlegende Bemerkungen vorab:

  • Das Infektionsschutzgesetz schafft die rechtssichere Grundlage für Maßnahmen, mit denen wir im Frühjahr und auch jetzt schon erfolgreich die Corona-Ausbreitung bekämpfen.
  • Die möglichen Maßnahmen gelten nur für die Dauer der Corona-Pandemie.
  • Es geht um Anspruch auf Schutzimpfungen – nicht um Impfpflicht.
  • Der Bundestag kommt seinen demokratischen Pflicht nach, die Regierung zu kontrollieren und ihren Handlungsspielraumpräzise zu begrenzen.

 

Wichtig ist:

Der Schutz der Gesundheit ist ein Grundrecht!

Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes sagt:
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ 

Dieses Grundrecht ist massiv bedroht durch die Corona-Pandemie. Besonders die Gesundheit und das Leben von alten Menschen und auch von jüngeren mit Vorerkrankungen sind stark bedroht. Wenn sich das Virus ungehindert ausbreitet, steigt das Infektionsrisiko schnell und unkontrolliert an. Die Politik ist deshalb in der Verantwortung, dieses Grundrecht zu schützen.

 

Warum wird das Infektionsschutzgesetz geändert?

Es geht um Rechtssicherheit. Viele Maßnahmen, die uns derzeit gegen die Corona-Pandemie schützen sollen, können von Gerichten gekippt werden (und das war auch schon in einigen Bundesländern der Fall). Nicht, weil sie falsch wären, sondern weil bisher die Rechtsgrundlage für einige Maßnahmen fehlten. Der Bundestag gibt nun den Landesregierungen klare Leitplanken, zwischen denen sie sich bewegen können. Es geht um insgesamt 17 Schutzmaßnahmen, die einzeln oder zusammen ergriffen werden können, wenn es die Pandemielage zwingend erfordert. Andere Einschränkungen sind nicht möglich.

Warum ist das wichtig?

„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ – dieses Grundrecht ist in der Corona-Krise für viele Menschen massiv bedroht und muss mit Maßnahmen geschützt werden können, die einerseits wirkungsvoll sind, die andererseits mit Blick auf die übrigen Grundrechte auch immer verhältnismäßig sein müssen.

Welche Grundrechte werden eingeschränkt?

Um das Grundrecht auf Leben und Gesundheit zu schützen, werden im neu gefassten Infektionsschutzgesetz andere Grundrechte eingeschränkt, beispielsweise die Bewegungsfreiheit oder die freie Berufsausübung. Alle denkbaren Schutzmaßnahmen sind festgelegt in § 28a des Infektionsschutzgesetzes. Auf dieser Grundlage können die Bundesländer Rechtsverordnungen erlassen, soweit es die Lage vor Ort erfordert.

Kann das willkürlich passieren?

Nein! Diese Einschränkungen müssen immer gut begründet werden. Es muss also klar sein, dass die einzelnen Schutzmaßnahmen tatsächlich notwendig sind, um die Gesundheit vieler Menschen zu schützen. Diese zwingende Begründung gab es vorher nicht.

Können Grundrechte dauerhaft eingeschränkt werden?

Nein. Verordnungen, die ein Bundesland in einer Pandemie möglicherweise erlassen muss, sind grundsätzlich zeitlich befristet auf vier Wochen. Falls eine dieser Maßnahmen für den Gesundheitsschutz vieler Menschen wiederholt notwendig sein sollte, muss sie jeweils neu fundiert begründet werden.

Alle Schutzmaßnahmen im neuen § 28a IfSG sind zudem nur möglich, wenn der Deutsche Bundestag zuvor eine „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ festgestellt hat. Diese Feststellung wurde gestern vom Bundestag erneuert. Sie ist derzeit befristet bis zum 31. März 2021. Der Bundestag kann die epidemische Lage aber auch jederzeit früher aufheben. Damit würde gleichzeitig die Grundlage für die besonderen Schutzmaßnahmen entfallen.

Und die Zwangsimpfungen?

Die Vorwürfe, mit dem Infektionsschutzgesetz seien „Zwangsimpfungen“, „Impfpflicht“, „totaler Überwachung“ oder der „Vollzug durch die Bundeswehr“ verbunden, entbehren jeder Grundlage. Nichts davon steht in dem neuen Gesetz. Vielmehr gilt:

  • Wer beispielsweise von einer Reise aus Risikogebieten nach Deutschland zurückkehrt, muss die üblichen Regeln für Quarantäne einhalten bzw. einen Corona-Test machen – wie bisher auch.
  • Wer stattdessen eine Impfung nachweisen kann, muss das natürlich nicht.
  • Einreisen können aber selbstverständlich alle. Und eine Impfpflicht gibt es nicht.
  • „Vollzug durch die Bundeswehr“ in § 54a IfSG regelt, wie der Infektionsschutz der Soldatinnen und Soldaten erfolgt. Denn für sie sind nicht die Gesundheitsämter zuständig, sondern die Bundeswehr selbst.
    Es geht also nicht um den Einsatz der Bundeswehr gegen die eigene Bevölkerung, wie in Polemiken behauptet wird.

 

Eine abschließendes Wort zu dem ungeheuerlichen Vorwurf von Corona-Leugnern, Quer-Denkern und Rechtsradikalen, wir hätten gestern ein „Ermächtigungsgesetz“ verabschiedet. Dieser Vergleich entsetzt mich als Sozialdemokratin zutiefst.

Mit dem Ermächtigungsgesetz begann 1933 die Nazi-Diktatur. Nur die SPD hatte das Gesetz damals abgelehnt.

Heute geht es nicht darum, unseren demokratischen Rechtstaat abzuschaffen, sondern die Grundrechte der Bürger gegen eine weltweite und lebensbedrohliche Viruskrankheit zu schützen.