Depressionen als Corona-Folge – „Die Fatigue bereitet uns Sorgen“

Corona zermürbt die Menschen. Jüngere stärker als die ältere Generation, weil vielfach Lebenswege an entscheidender Stelle ausgebremst oder unterbrochen werden. Die Direktion der Bad Säckinger Rhein-Jura-Klinik reagiert mit einem entsprechenden Therapieangebot auf diese Beobachtung und eine wachsende Zahl von Patient*innen. Die Covid-19-Folgen waren Gegenstand eines Gesprächs mit der kaufmännischen Direktorin Sabine Pirnay-Kromer und dem ärztlichen Direktor Andreas Jähne.

Die erste Covid19-Welle habe die Rhein-Jura-Klinik gut bewältigt, bilanzieren die Klinikchef*innen Sabine Pirnay-Kromer und Andreas Jähne. Mit einer Delle von 40 Prozent in der Belegung und deutlichen Mehrkosten für den hygienischen Vorsorgeaufwand. „Wir sind den diffusen Bedrohungsgefühlen unter Patienten und Mitarbeitern mit einer klaren Linie begegnet“, sagt Andreas Jähne. In einer  psychiatrischen Akutklinik habe die direkte Betreuung der Patienten Priorität, in der Krise habe man in einzelnen Fällen versuchsweise auf die telemedizinische Betreuung gesetzt und damit gute Erfahrungen gemacht.

„Wir waren zu einer komplett neuen Arbeitsweise gezwungen“, berichtet Sabine Pirnay-Kromer, mit den Einbrüchen im ambulanten System außerhalb der Klinik sei die dringend notwendige Vernetzung verloren gegangen. Telemedizin sei geeignet zur Kompensation, lasse sich aber auch nur begrenzt abrechnen. Darüber hinaus sei es auch notwendig gewesen, die Belegungszahlen zu kappen, um die Abstände in den Therapiegruppen einhalten zu können.

Nachdem der schöne und warme Sommer viele Möglichkeiten geboten hat, im Therapiebetrieb nach draußen zu gehen, bereitet die Aussicht auf kühlere und feuchte Monate angesichts der aktuellen Coronazahlen einige Bauchschmerzen. Die Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen Patienten ist jetzt schon vergleichsweise  stärker vertreten als in den Vorjahren. Die Pandemie zeigt auch hier Folgen.

„Wenn wir vorsichtig bleiben, die Hygieneregeln einhalten und alles tun, um die Infektionsketten zu unterbrechen, sagt Andreas Jähne, „haben wir Chancen, gut wegzukommen“. Zwei nicht zu unterschätzende Begleiterscheinungen seien die Leugner und Protestierer auf der einen Seite, und die Fatigue in der Gesellschaft auf der anderen Seite. Diese “Ermüdungstendenzen”  haben das Klinik-Team zur Entwicklung eines Therapieangebots gegen das inzwischen immer häufiger auftretende „Post-Corona-Syndrom“ veranlasst.

Der Rat, den Klinikchef Andreas Jähne zur allgemeinen Krisenintervention in der Corona-Zeit gibt, knüpft an das an, was in der Rhein-Jura-Klinik als Leitmotiv gilt. „Wichtig ist es, handlungsfähig zu bleiben oder wieder zu werden, die Situation zu akzeptieren und nach den verbleibenden eigenen Möglichkeiten zu suchen“, sagt Jähne. Jetzt eben im Rahmen dessen, was jetzt die Coronaregeln zulassen.

Unter dem Rettungsschirm für Krankenhäuser ist jedoch für die Rhein-Jura-Klinik kein Platz. Sie nimmt Patienten aus der gesetzlichen Krankenversicherungen auf, schafft jedoch nicht die Quote von 40 Prozent, die notwendig ist, um Gelder aus dem Krankenhausentlastungsgesetz zu bekommen. Viele der Patienten, die hier behandelt werden, sind über die Beihilfe versichert, haben deshalb Privatstatus und werden nicht auf die GKV-Quote angerechnet.

Rückblickend auf die erste Covid19-Infektionswelle konstatiert Andreas Jähne, dass er einen intensiven Informationsaustausch zwischen den Krankenhäuser auf Kreisebene vermisst habe. Mehr Miteinander wünscht sich das Leitungsduo der Rhein-Jura-Klinik aber nicht nur für Krisenzeiten, sondern auch für den Regelbetrieb. Um den Hochrhein zu einer echten Gesundheitsregion zu entwickeln, so Jähne und Pirnay-Kromer, sei es notwendig, ein Mehrwertkonzept zu entwickeln, dass die Stärken des medizinischen Angebots und den Erholungswert der Landschaft kombiniere und in der übergreifenden Patientenbetreuung herausarbeite. Was bisher an Abstimmung im Gange sei, basiere auf Initiative einzelner Kliniken, sagt Sabine Pirnay-Kromer. Ein Gesamtkonzept wie in der Freiburger „Health Region“ gebe es nicht.

Für die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter ist das ein Signal, die Stunde der Neuordnung in der Gesundheitsversorgung am Hochrhein auch zum Aufbau eines gut funktionierenden Netzwerkes zu nutzen. Gerade mit Blick auf die aktuelle Umstrukturierung des klinischen Angebots im Landkreis Walds-hut und den Aufbau des Gesundheitscampus in Bad Säckingen, sei naheliegend, die Gesundheitsanbieter in der Region intensiv zu vernetzen. Als absolut wichtig bezeichnet sie es, dabei die Bürger*innen einzubeziehen und aufzuklären.