27.11.2010 – Der erste eigene schwarz-gelbe Bundeshaushalt ist eine herbe Enttäuschung. In der Generaldebatte zum Bundeshaushalt hat Frank-Walter Steinmeier heftige Kritik an der Regierung geübt: Die Regierung handelt ohne jede eigene Idee von der Zukunft „Dieses Land wird weit unter seinen Möglichkeiten regiert.“ Sie kreisen in ihrer Politik um den eigenen Bauchnabel und um die eigene Klientel, statt sich um das Gemeinwohl zu kümmern. Und wo Regierungsvorhaben umgesetzt werden, vertiefen sie die Spaltung der Gesellschaft.
Das sozial ungerechte „Sparpaket“ der Bundesregierung wurde dort aufgeweicht, wo Lobbyinteressen überwogen, Gering- und Normalverdiener zahlen weiterhin die Zeche. Denn gespart wird nicht, im Gegenteil. Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Schäuble tricksen und mogeln, um sich bis 2013 mehr verschulden zu können als eigentlich zulässig. Damit soll dann wohl die FDP-Steuerreform für die Spitzenverdiener finanziert werden.
Zunächst sinkt die Neuverschuldung auf dem Papier zwar von 57 Milliarden Euro im Regierungsentwurf auf 48,4 Milliarden Euro. Nur: Allein durch die konjunkturellen Mehreinnahmen bei den Steuern und Minderausgaben für den Arbeitsmarkt hätte sie schon um etwa 10,3 Milliarden Euro gesenkt werden müssen – auf dann 46,7 Milliarden Euro. Die Koalition hat also nicht gespart, sondern dort draufgesattelt, wo es ihrer Klientel nützt. Ergebnis: 1,4 Milliarden Euro aus den Mehreinnahmen werden „verfrühstückt“, anstatt die von vielen gesellschaftlichen Akteuren kritisierten unsozialen Kürzungen zu korrigieren.
Die Regierung kapituliert vor den Herausforderungen der Finanzkrise und verspielt die große Chance für einen nachhaltigen Aufschwung, an dem auch Geringverdiener und Arbeitslose teilhaben. Der vorgelegte Haushalt ist ein Dokument der Klientelpolitik. Bedient werden die Interessen einflussreicher Lobbygruppen. Lohndumping auf Kosten des Steuerzahlers wird nicht eingeschränkt, sondern soll ausgeweitet werden, statt eines Mindestlohns kommt mit der Ausweitung der Hinzuverdienstgrenzen die weitere Subventionierung des Niedriglohnsektors. Die Kernbrennstoffsteuer wird nicht einmal das von der Regierung selbst veranschlagte Volumen erbringen, geschweige denn die Oligopolgewinne aus der Laufzeitverlängerung ausgleichen. Die Luftverkehrssteuer zahlen am Ende die Verbraucher. Steuerprivilegien für Hoteliers und Erben bleiben bestehen. Vor allem die angekündigte Finanztransaktionssteuer, die den Finanzsektor wirksam an den Krisenkosten beteiligen würde, steht in den Sternen.
Wir haben durch Anträge in der Haushaltswoche belegt, dass die Einhaltung der aktualisierten Verschuldungsgrenze möglich ist. Dabei haben wir noch wesentliche gegenfinanzierte Schwerpunkte gesetzt wie die Rücknahme der Kürzungen im Sozialbereich und bei der Städtebauförderung, den Ausbau der Bildungsinfrastruktur mit zusätzlichen 300 Millionen Euro, die Aufstockung der Mittel für Entwicklungshilfe um 1,25 Milliarden Euro und die unbedingt notwendige Stärkung der Finanzkraft der Gemeinden durch 300 Millionen Euro zusätzlich bei der Bundesbeteiligung bei der Grundsicherung im Alter sowie 400 Millionen Euro zusätzlich bei der Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung. In zwei Entschließungsanträgen (Drs. 17/3911, 17/3912) haben wir unsere Alternativen vorgestellt und die Bundesregierung aufgefordert, die Schuldenbremse ernst zu nehmen, die Einsparungen im Sozialbereich und beim Arbeitsmarkt zurückzunehmen, Gerechtigkeit und Sicherheit zu gewährleisten, Fortschritt und Zukunft zu gestalten und nachhaltiges Wachstum und Arbeit zu fördern.