Gerechter, einfacher, rechtssicher: Der Bundestag hat an diesem Donnerstag in erster Lesung ein Gesetzespaket von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Neuregelung der Grundsteuer beraten. Der Gesetzentwurf war vergangene Woche vom Kabinett gebilligt worden. Dem vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen zwischen Bund und Bundesländern.
Denn die bisherige Erhebung der Grundsteuer verstößt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen das Grundgesetz. Begründung: Die Regeln zur Bewertung der Grundstücke und Gebäude seien nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, da sie zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen führten.
Eine Neureglung muss bis Ende 2019 stehen, sonst darf die Grundsteuer nicht mehr erhoben werden – die Kommunen hätten jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro weniger an Einnahmen. Das würde kaum funktionieren, Gelder für Schulen, Kitas, die Infrastruktur und die übrige Daseinsvorsorge würden in großem Umfang fehlen.
Zur Einordnung: Die Grundsteuer ist eine reine Gemeindesteuer, das Aufkommen steht also den Städten und Gemeinden zu. Sie wurde bisher durch ein Bundesgesetz geregelt, das der Zustimmung der Länder im Bundesrat bedurfte.
Der neue Gesetzentwurf orientiert sich an der tatsächlichen Wertentwicklung der Grundstücke und verteilt die Steuerlast fair und gerecht. Der Verwaltungsaufwand für die Berechnung wird massiv verringert, die Wertermittlung den unterschiedlichen Wohngegebenheiten angepasst. Damit bleibt die Grundsteuer als wichtige Einnahmequelle der Städte und Gemeinden erhalten.
Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf jahrzehntealten Grundstückswerten – im Westen werden die Grundstücke nach ihrem Wert im Jahre 1964 berücksichtigt, im Osten sogar nach dem Wert von 1935. Die Werte von Grundstücken und Gebäuden haben sich seit 1964/1935 sowohl im Westen wie im Osten sehr unterschiedlich entwickelt. Gegenwärtig werden dadurch für vergleichbare Immobilien sehr unterschiedliche Steuerzahlungen fällig. Diese – nicht begründbare – Ungleichbehandlung muss nach Maßgabe des höchsten Gerichts durch eine Reform beendet werden.
Diese Reform muss wie beschrieben per Gesetz bis Ende dieses Jahres stehen. Die Behörden haben im Anschluss fünf Jahre Zeit für die administrative Umsetzung (Datenerhebung etc.). Die Grundsteuer würde dann spätestens ab dem 1. Januar 2025 auf Basis der neuen Werte festgesetzt. Bis Jahresende soll der Gesetzentwurf von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
Verfassungsfeste Neuregelung
Das Ziel der geplanten Reform ist eine verfassungsfeste und gerechte Neuregelung, bei der das Gesamtaufkommen aus der Grundsteuer insgesamt gleich bleibt. Es geht ausdrücklich nicht um Mehreinnahmen der Kommunen – d. h. die Steuerpflichtigen insgesamt sollen nicht mehr Grundsteuer bezahlen. Allerdings ist es zwangsläufige Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dass es zu Veränderungen kommt. Einige werden etwas mehr zahlen, während andere weniger Grundsteuer zahlen müssen.
Ziel eines zweiten Gesetzentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes ist die Begründung einer uneingeschränkten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Neuregelung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts: In Zukunft würde also nicht mehr begründet werden müssen, dass ein solches Gesetz (oder seine Änderung) nötig ist, um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen oder die Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zu wahren.
Zur Neufassung
Die Berechnung der Grundsteuer soll sich weiterhin am Wert einer Immobilie orientieren. Es macht einen Unterschied, ob ein Haus oder eine Wohnung in einem begehrten Innenstadtviertel oder in einer weniger gefragten Randlage einer Metropole steht, ob es sich in einer ländlichen Gemeinde oder in der Stadt befindet, ob ein Gewerbebetrieb in einer strukturschwachen Region angesiedelt ist oder in einer Großstadt. Als Grundlage der Bemessung der Grundsteuer sollen vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche gezahlte Miete am jeweiligen Standort dienen. Für Immobilien des sozialen Wohnungsbaus, kommunale sowie gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften sieht die Neuregelung unter bestimmten Voraussetzungen eine Begünstigung vor. Damit bleibt Wohnen bezahlbar.
Sollte sich in einzelnen Kommunen das Grundsteueraufkommen wegen der Neubewertung dennoch erhöhen, besteht für die Kommunen die Möglichkeit, über niedrigere so genannte Hebesätze, die sie selbst festlegen, einer möglichen Mehrbelastung entgegenzuwirken.
Die Kommunen haben bereits angekündigt, dass sie dies auch tun werden – denn eine Erhöhung der Grundsteuer wäre politisch für keinen Bürgermeister bzw. Bürgermeisterin vermittelbar. Außerdem sollen die Kommunen zukünftig über die so genannte Grundsteuer C die Möglichkeit erhalten, über ihren Hebesatz die Spekulation mit baureifen Grundstücken einzudämmen.
Übersichtliche Kriterien
Im Einzelnen: In die Berechnung der Grundsteuer nach dem Modell von Olaf Scholz und den Landesfinanzministerinnen und -ministern sollen künftig nur noch wenige, vergleichsweise einfach zu ermittelnde Parameter einfließen. Bei der Ermittlung der Grundsteuer für die Wohngrundstücke geht es konkret um fünf Punkte: Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Immobilienart, Alter des Gebäudes, Mietniveaustufe.
Zur Ermittlung der Grundsteuer für Gewerbegrundstücke soll die Zahl der von den Steuerpflichtigen zu erklärenden Angaben von bisher mehr als 30 auf maximal acht sinken.
Falls diese Parameter nicht ohnehin bekannt sind, werden sie über das Internet abrufbar sein. Der administrative Aufwand verringert sich damit deutlich: Der kluge Einsatz digitaler Möglichkeiten bei der Datenerhebung und -bearbeitung macht das möglich und soll künftig für Entlastung sorgen.
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Aktualisierung der Bewertung könnte alle sieben Jahre weitgehend automatisch erfolgen. Steuerpflichtige und Finanzverwaltung erhalten ausreichend Zeit, um sich auf die genannten Änderungen einzustellen.
Abweichungen vom Scholz-Modell
In der Diskussion war auch das so genannte Flächenmodell, das ausschließlich an der Fläche der Grundstücke und der vorhandenen Gebäude ansetzt. Die Werte der Grundstücke und der Gebäude bleiben bei diesem Modell unberücksichtigt. Ein solches Modell ist auf der Basis des aktuellen Grundgesetzes nicht möglich – denn es gibt, wie beschrieben, für eine Neubegründung der Grundsteuer abweichend vom bisherigen Modell keine Gesetzgebungskompetenz mehr.
Vor allem das Bundesland Bayern hat in den Beratungen über die Neuregelung der Grundsteuer gefordert, von einer bundeseinheitlichen Regelung abweichen zu dürfen, um einen eigenen Weg gehen zu können.
Diesem Wunsch soll nun ein gesonderter Gesetzentwurf Rechnung tragen, der die Grundgesetzänderungen umfasst und eine Abweichung von der bundeseinheitlichen Regelung möglich machen würde. Eine solche Möglichkeit ist seit der letzten Föderalismusreform im Grundgesetz schon für verschiedene andere Rechtsbereiche vorgesehen (etwa das Naturschutzrecht, das Jagdrecht, die Raumordnung oder das Hochschulzulassungsrecht).
Aber: Für die Berechnung des Länderfinanzausgleichs soll die bundeseinheitliche Regelung zugrunde gelegt werden. Damit hätten andere Bundesländer keinen finanziellen Nachteil durch den Sonderweg eines Landes wie Bayern. Das wird durch eine entsprechende Regelung im Finanzausgleichsgesetz abgesichert.
Zur politischen Bewertung
Achim Post, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher, und Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, betonen: „Der Kabinettbeschluss zur Grundsteuerreform ist ein wichtiger Etappenschritt, um die Grundsteuereinnahmen auch weiterhin sicherzustellen. Mit dem wertabhängigen Modell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz wird die Grundsteuer einfacher, gerechter und zukunftsfähig.
Die SPD-Fraktion steht an der Seite der Städte und Gemeinden in Deutschland. Deshalb ist für die SPD-Fraktion eine verfassungsfeste Grundsteuer ein zentraler Auftrag ihrer Regierungsarbeit.
Mit dem Gesetzentwurf behält der Bund die Gesetzgebungskompetenz; die Grundsteuer kann nicht zur Disposition gestellt werden. Das wird jetzt auch im Grundgesetz zweifelsfrei festgeschrieben. Zugleich wird den Bundesländern allerdings das Recht eingeräumt, abweichende landesrechtliche Regelungen zur Grundsteuer zu erlassen.
Nach monatelangen Verhandlungen hat die CSU in letzter Minute den mit den Ländern angestrebten Konsens verlassen und eine solche Abweichungsmöglichkeit für einzelne Länder verlangt. Die CSU hat damit die Kommunen in Deutschland in Haftung genommen, um ihre eigenen parteipolitischen Ziele durchzusetzen.
Eine Abweichungsmöglichkeit birgt die Gefahr einer Zersplitterung des Grundsteuerrechts. Die einfache bundeseinheitliche Regelung wird durch eine zusätzliche bürokratische Regelung für einzelne Länder gefährdet, im Zweifelsfall auf dem Rücken der Kommunen. Hinzu kommt: Das Flächenmodell, das die CSU nunmehr in Bayern einführen will, begünstigt vor allem wohlhabende Immobilienbesitzer. Diese Grundsteuer à la CSU ist nicht einfach, sondern einfach ungerecht. Würde ein solches Modell in Deutschland weiter um sich greifen, wäre das ein Weg hin zu mehr Bürokratie, weniger Gerechtigkeit und letztlich egoistischer Kleinstaaterei.
Wir wissen zugleich um die Verantwortung für die Handlungsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden und die Notwendigkeit, eine Grundsteuerreform bis Ende des Jahres abzuschließen, um die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen und das Grundsteueraufkommen für die Kommunen zu sichern.
Für uns ist dabei in jedem Fall klar: Es muss bei den Grundgesetzänderungen verlässlich sichergestellt sein, dass sich Bayern nicht auf Kosten anderer Bundesländer im Länderfinanzausgleich der Finanzverantwortung entzieht.“